Mein Kind haut zu- was mache ich?

Aufgrund einer Frage einer meiner Schwiegertöchter: „Wie kann ich reagieren, wenn mein Kind zuhaut? “ möchte ich einen Aspekt dieses Themas hier gerne beschreiben:

Grundsätzlich ist zu beobachten, wie aggressiv und verzweifelt das Kind sich ausdrückt. Haut es „bloß“ das Geschwisterl, auch andere Kinder, ständig, ab und zu, auch im Kindergarten, wird es so richtig aggressiv, das es andere Kinder verletzt, oder ist es eine spontane Reaktion auf eine Grenzüberschreitung?

Die leichteren Formen vergehen wieder, wenn das Kind lernt, sich anders zu helfen oder zu wehren. Immer ist es das noch nicht kennen von anderern Problemlösungen, die Kinder das machen lassen, was sie können. Mit der Hand zeigen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist.

Dieses Kind, nennen wir es Anton, ist irritiert, wütend, beleidigt und haut zu. Der kleine Bruder Klaus fängt sofort an zu weinen. Die Mutter kommt und schimpft mit Anton.

Egal was Anton empfunden hat, egal, dass er noch keine andere Lösung lernen oder verinnerlichen hat können, egal, was der kleine Bruder wirklich „angestellt “ hat. Auch ganz egal, ob der Kleine seine Erfahrung ausspielt, dass man mit Weinen die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht.

Den Eltern geht es oft um den Grundsatz: Bei uns wird keine Gewalt ausgeübt, ganz egal wie alt ein Kind ist.

Doch genau das machen die Eltern. Sie üben Gewalt aus.

Im Synonymwörterbuch findet man unter Gewalt folgenden Eintrag: Befehlsgewalt, Herrschaft, Macht, Druck, Zwang, Heftigkeit, Kraft, Stärke, Wucht.

Mit Zwang verlangen sie eine Entschuldigung,
Mit Druck verlangen sie, zu sagen, was passiert ist,
mit Kraft erklären sie dem Kind, was richtig und was falsch ist,
mit Heftigkeit ihrer eigenen Gefühle zeigen sie, wie schlecht sie das finden
sie übernehmen die Herrschaft und verlangen vom Kind die Gesetze der Familie einzuhalten, Gesetze die ohne Überprüfung der Reife ihres Kindes festgelegt wurden,um es dann auch noch schuldig zu sprechen.
Mit Macht zwingen sie ihrem Kind ihr eigenes Bedürfnis nach Harmonie auf.

Klingt hart. Leider ist es aber oft genauso. Eltern machen das ja nicht mit Absicht, sondern mit dem Ziel, ihr Kind zu einem „anständigen“ Menschen zu erziehen.

Davon abgesehen, ist dieses Wort für mich ein Tabu. Denn auch das ist Gewalt, zu bestimmen, was anständig ist und was nicht.

Wenn ihr euer Kind wirklich gewaltfrei „erziehen“ möchtet, dann erzieht es nicht, sondern bringt es in Beziehung zu seinen Gefühlen, Handlungen und Reaktionen.

Befreit es gänzlich von Schuld und Beschimpfung. Hört endlich auf, das KInd anzuschreien. Auch das ist Gewalt. *

Zuerst geht es um Anton. ER hat als erster eine Ungerechtigkeit oder Grenzüberschreitung erlebt. Er hat sicher vorher ungehört ausgedrückt, dass er etwas nicht will, er hat ein großes Gefühl mit der Hand gezeigt und wurde nicht verstanden. Er hatte ein Problem und dann nur diese Lösung.

Wie kanns funktionieren:

Erst wenn er gehört, ihm Verständnis gezeigt wird für sein Gefühl und seine Lösung, wende ich mich dem „gehauten“ Kind zu. Ich kann ihm erklären, was passiert ist, warum er gehaut wurde. Ich, Mutter/Vater bin als Vermittler tätig. Dann kann man auch trösten. -Aber bitte beide.

Anton kann man vielleicht mit folgenden Worten Vorbild sein:
Du hast deinem Bruder mit der Hand ins Gesicht geschlagen, weil du dich geärgert hast, dass er dir die Schienen für den Zug weggenommen hat. Ich verstehe, dass dich das ärgert. Du hast anscheinend keine andere Lösung als zuhauen gefunden . Dein Bruder weint und ich möchte ihn nun trösten.
Ob sie ihren Großen z. B. bitten, ins Zimmer zu gehen oder in Ruhe weiterspielen lassen, ist euch überlassen und nicht so bedeutend. Aber sich später die Zeit zu nehmen um mit ihm darüber zu reden, warum es immer wieder oder manchmal und eben diesmal zum Konflikt kam, ist der wichtigste Part der Übung. DAs können schon Dreijährige gut artikulieren.

Erst in dieser ruhigen vertrauensvollen Atmosphäre, erfährt man, wo der Konflikt seinen Ursprung hat. Kann auch sein, dass vielleicht ein ganz anderer Grund dahinter steckt. Das ist wichtig, um Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Das stärkt den Selbstwert. Auch seine eigene Einstellung soll man verbalisieren. So lernt ihr euch besser kennen. Das ist unglaublich wertschätzend , vertrauensbildend, und beziehungsfördernd. Hält ein Leben lang.

Wichtig: Kümmert euch zuerst um den „Täter“ dann erst um das „Opfer“ (natürlich nur, wenn kein Blut fließt ;-)) Es verhindert auch, dass das Opfer gerne Opfer ist.

*Es gibt Ausnahmen. Auch einmal lautstark seine Meinung kundzutun, kann die Merkfähigkeit beim Kind stark verbessern. Darf weder inflationär werden, noch bei Banalitäten eingesetzt werden. Wenn ich wirklich wütend bin, darf ich auch mal schreien. Ausnahme: Kleinkinder und Kinder bis ca 8 Jahre- die können nämlich noch nicht differenzierend denken.