Auch meine Enkelkinder haben heute die Zeugnisse bekommen. Lauter Einser werden gepostet und stolze Kinder und Eltern freuen sich darüber. Das ist ganz sicher ein besonderes Ereignis.
Ein wenig provokant sind Gedanken, die dazu in meinem Kopf auftauchen. Waren doch meine Zeugnisse damals sicherlich nicht so gut. Doch was wäre gewesen, wenn sich meine Eltern die Zeit genommen hätten, Tag für Tag bei uns Kindern zu sitzen und oft unter Wut und Tränen, mit zeitweiliger Bestechung und manipulativen Aktionen uns Kinder zum Lernen zu bringen, wie Eltern es heute tun?
Denn so höre ich sehr oft, laufen Nachmittage in Familien ab, wo Schulkinder zu Hause sind. Eltern, die eine ganz bestimmte Schule im Auge haben und die Kinder dazu bringen müssen, den dazupassenden Notenschnitt am Ende des Tages vorzuweisen.
Lehrer, die so übermäßig viel Hausübungen geben, dass Wochenenden danach geplant werden müssen. Wie sagte die Lehrerin einer VS: „Es gibt Kinder, die stellen die Schultasche am Freitag ins Eck und holen sie erst am Sonntagabend wieder hervor!“
Ach du Schreck!!! Entspannen die Kinder vielleicht zuviel? Verdummen sie am Wochenende? Einstmals haben wir die Hausübungen selbständig relativ rasch erledigt, damit wir nach draußen zum Spielen kommen, weil die Nachbarskinder bereits gewartet haben. Wochenende und Ferien waren HÜ-frei.
Wir haben die Matura geschafft, viele studierten oder wurden erfolgreiche Handwerker, Künstler, Sozialarbeiter, Lehrer, Spitzensportler usw.
Kinder sind heute nicht gescheiter als wir es waren. Sie werden mehr gefördert und trotzdem jammern Handwerksbetriebe, Pflegeorganisationen, Sportvereine, Lehrer, Ärzte usw. über Nachwuchsprobleme. Vor allem jammern viele Vorgesetzte oft über fehlende Motivation und Neugierde.
Es gibt keine Konzepte, wie bei so vielen, was momentan auf der Welt passiert. Aber dass wir den Kindern hauptsächlich über Leistung die Zukunft offerieren, das wird sicher schief laufen.
Vor kurzem hörte ich einen bekannten Zukunftsforscher sagen: „Die wichtigste Eigenschaft in der Zukunft ist die emotionale Intelligenz!“
Und hier sehe ich weder im Schulbetrieb noch in vielen Familien die Möglichkeiten und das Wissen dazu, dass dies auch gelingen kann.
Der Leistungsgedanke impliziert unser konsumales Denken. Der Konsumismus treibt uns voran. Denn wozu denn sonst das Bestreben, dass Kinder sich ganz dem Leistungsbetrieb unterstellen müssen?
Der Sinn des Lebens kann es ja nicht sein, am dessen Ende zu sagen, ich habe viel konsumieren können und große Leistungen in die Konzerne eingebracht. Ich habe viel Leistung erbracht, aber sonst ist mir nichts wirklich gelungen.
Ich finde, wenn wir alle nicht bald anfangen, den Kindern den Spirit der Klimarettung, unseres sozialen Zusammenhalts , sowie unser moralischen und ethnischen Verpflichtungen allen Lebewesen dieser Welt gegenüber zu entzünden, dann haben wir versagt, Kindern eine Zukunft zu übergeben, in der sie so leben können, wie wir es uns für sie wünschen.
Da stellen sich die Fragen für alle Eltern:
Was mache ich, dass die Welt besser wird, sie lebenswert bleibt?
Für was kämpfe ich mit Überzeugung, dass meine Kinder sehen, wie wichtig es ist, für etwas zu kämpfen, dass der Friede und die Lebensqualität erhalten bleibt?
An was glaube ich? Das zu hinterfragen und den Kindern selbstkritische und systemkritische Gedanken mitzugeben, ist etwas, das Kinder lernen sollen.
Sonst werden sie bald aufgesaugt von Dingen, die für Mächtige Bedeutung haben, aber nicht für ihren Lebenssinn.